Außerkirchliche Räume

Außerhalb des kirchlichen Schutzraumes sah man sich einer Reihe von Hürden gegenüber. An erster Stelle stand das Problem der Räumlichkeiten, denn in einer Gesellschaft, in der die Gleichberechtigung von staatlicher Seite als umgesetzt proklamiert wurde, gab es keine Notwendigkeit für die Öffnung eigener Räume für vermeintlich marginalisierte Gruppen. Da sich unter diesen Umständen die Gewinnung staatlich bereitgestellter Lokalitäten oft als schwierig, wenn auch nicht immer unmöglich darstellte, mussten Alternativen gefunden werden.

Eine Möglichkeit bestand in der Nutzung privater und halbprivater Räume. Partys in der Wohnung Christiane Seefelds in der Schönhauser Allee, Gruppentreffen der Homosexuellen Interessengemeinschaft Berlin (HiB) im Gründerzeitmuseum von Charlotte von Mahlsdorf oder semi-öffentliche Treffpunkte in Bars, Cafés und Diskotheken sind Beispiele für die diversen Formen solcher Strategien. Dass jedoch auch die Gewinnung offizieller Räumlichkeiten möglich war, zeigt der Sonntags-Club (SC). Als inoffizieller Verein konnte er Ende der 80er im Kreiskulturhaus im Prenzlauer Berg Einzug halten. Auf das Zugeständnis selbstverwalteter Räume musste man aber auch hier noch bis zur Wendezeit warten.

Das Feld an Räumen und deren Funktionen, das sich hier auftut, ist äußert heterogen. Das Spektrum spannt sich zwischen politischem Aktivismus auf der einen und Freizeitgestaltung auf der anderen Seite. Verallgemeinernde Beschreibungen, ob als staatsnah, oppositionell, apolitisch, inklusiv, exklusiv und so weiter, müssen also zurückgewiesen werden. Vielmehr bedarf es eingehender Einzelbetrachtungen.

Literatur :

Grau, Günter: Sozialistische Moral und Homosexualität. Die Politik der SED und das Homosexuellenstrafrecht 1945 bis 1989 – ein Rückblick, in: Grumbach, Detlef (Hg.): Die Linke und das Laster. Schwule Emanzipation und linke Vorurteile, Hamburg 1995, S. 85-141, hier: S. 125.

Meyer, Sabine: Wege jenseits der Öffentlichkeit. Zur Geschichte transgeschlechtlichen Lebens in der SBZ und der DDR zwischen 1945 und 1976, in: Landesstelle für Gleichbehandlung − gegen Diskriminierung (Hg.): Auf nach Casablanca? Lebensrealitäten transgeschlechtlicher Menschen zwischen 1945 und 1980, S. 75-83.

Sonntags-Club (Hg.): Verzaubert in Nord-Ost. Die Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee, Berlin 2009.

Ab 1973 trafen sich am Institut für Psychologie und Neurosenforschung im Berliner Haus der Gesundheit mehr oder weniger regelmäßig Lesben, um sich untereinander auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Die hier initiierte Selbsthilfegruppe war lange Zeit einer der wenigen Treffpunkte, der homosexuellen Frauen vorbehalten war und der Raum für ihre spezifischen Anliegen und Erfahrungen bot. Dieses Angebot vonseiten des Instituts hatte jedoch auch eine Schattenseite. Wollten sich die Frauen dort treffen, mussten sie auch Untersuchungen der eigenen Person und ihrer Homosexualität zustimmen. Das Institut führte etwa Befragungen, Blutabnahmen und Hormonuntersuchungen durch, um die Ursachen weiblicher Homosexualität zu ‚erforschen‘. Dies führte letztendlich auch zur Auflösung der Gruppen, die sich hier gefunden hatten. Es ist jedoch festzuhalten, dass sich queere Frauen hier trotz einer mehr als ambivalenten Situation einen eigenen Raum der Kommunikation und der gegenseitigen Unterstützung geschaffen hatten. 

Literatur:

Krautz, Stefanie: Lesbisches Engagement in Ost-Berlin (Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag, Reihe Geschichtswissenschaft, Bd. 5), Marburg 2009.

Die Grundsteine für die Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin (HIB) wurden Anfang 1973 durch Michael Eggert, Peter Rausch und Michael Keller gelegt. Angeregt durch vorherigen Austausch mit westdeutschen Aktivisten und den Film ‚Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt‘ von Rosa von Praunheim, der 1972 in Westdeutschland für einige Aufregung sorgte, trafen sie und einige weitere Homosexuelle sich ab März 1973 regelmäßig in Wohnungen und Lokalen.
Fortan versuchte die wachsende Gruppe auch öffentlichkeitswirksam aufzutreten. Bei der Eröffnung der ‚X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten‘ in Ostberlin trat die Gruppe mit einem Transparent auf, auf dem zu lesen war: „Wir Homosexuelle der Hauptstadt begrüßen die Teilnehmer der X. Weltfestspiele und sind für den Sozialismus in der DDR“[1].
 Auch mit dem Verteilen von Flugzetteln oder der Beteiligung an Diskussionen im Rahmen öffentlicher Vortragsveranstaltungen machte die Gruppe auf sich aufmerksam. Bei einer solchen lernte die Gruppe 1974 Charlotte von Mahlsdorf kennen, in deren Gründerzeitmuseum sie bis zur Auflösung des ‚Lesbentreffens‘ 1978 durch die Volkspolizei (siehe Gründerzeitmuseum) unterkamen. Aufgrund dessen nannte sich die Interessengemeinschaft intern auch den ‚Mahlsdorfer Kreis‘. Nach dem Wegbruch des Schutzraumes in Mahlsdorf zog sich die HIB wieder in privatere Räumlichkeiten zurück, bis sie ihre Arbeit 1979/80 ganz einstellte.

Ein Grund für das Ende der HIB war ihr erfolgloser Kampf um staatliche Anerkennung. Nach einigem Anecken mit den staatlichen Behörden aufgrund des unangemeldeten Pfingsttreffens 1976, das in Mahlsdorf stattfinden sollte, reichte die Gruppe erstmals einen Antrag auf die Registrierung als Interessengemeinschaft ein. Nach dem Vorschlag von Seiten der Behörden, stattdessen einen Antrag auf die Anerkennung als Verein zu stellen, wurde aber schließlich auch dieser abgelehnt. 1978, nach dem aufgelösten ‚Lesbentreffen‘ in Mahlsdorf, kam es schlussendlich zu einer staatlichen Stellungnahme. In einem Schreiben vom Dezember 1978 an die Gruppe heißt es:

Mit dem Erlaß des Strafgesetzbuches der DDR vom 12.1.1968 wurde die Strafandrohung für homosexuelle Handlungen im Prinzip aufgehoben und somit die aus der Zeit des Kapitalismus stammende gesetzliche Diskriminierung dieses Personenkreises beseitigt. […] Es wird daher in der DDR auch in Zukunft keine besonderen Vereinigungen für diese oder jene Gruppe von Bürgern geben, die sich durch die Gestaltung ihres Intimlebens voneinander unterscheiden, da dafür kein gesellschaftliches Bedürfnis vorliegt.[2]

Diese Argumentation ist paradigmatisch für die Begründungsstrategie, mit der queeren Menschen in der DDR systematisch eigene Räume und Räumlichkeiten verwehrt wurden.

Die Gruppe setzte sich Zeit ihres Bestehens für einen eigenen Raum für queere Menschen sowie gesellschaftliche Gleichberechtigung und Anerkennung ein. Dafür veranstalteten und organisierten sie unter anderem Diskussionen, Workshops, Ausflüge, Vorträge, Feste, Beratungsangebote und setzten auf die Kooperation mit Wissenschaftler:innen und den Kontakt zu öffentlichen Stellen und Fachleuten. Mit dem ‚schwul-lesbisch-bisexuellen‘ Kabarett Hibaré sorgte die HIB für unterhaltsame Abendprogramme.
Die Gruppe selbst verstand sich als eine große Familie, in der sowohl homosexuelle Männer als auch Frauen gemeinsam für ihre Ziele einstanden. Auch ‚Transsexuelle‘ und ‚Transvestiten‘ finden in den Archivalien Erwähnung und scheinen zumindest in den Forderungen der Gruppe mitgedacht worden zu sein. Inwiefern und wie viele trans Personen in der HIB aktiv waren, lässt sich nur schwer rekonstruieren.
Auch die genaue Organisationsstruktur ist schwer nachzuvollziehen. Dennoch ist klar, dass sich bemüht wurde, eine arbeitsteilige und hierarchisch flache Struktur zu wahren.
 Zu den späteren Mitgliedern der HIB gehörten unter anderem auch Ursula Sillge und Michael Unger, die in den 80er Jahren im Sonntags-Club (SC) eine wichtige Rolle einnehmen sollten. Auch Peter Rausch setzte seine Arbeit im SC fort.

[1] Zit. nach: Grau, Günter: Sozialistische Moral und Homosexualität. Die Politik der SED und das Homosexuellenstrafrecht 1945 bis 1989 – ein Rückblick, in: Grumbach, Detlef (Hg.): Die Linke und das Laster. Schwule Emanzipation und linke Vorurteile, Hamburg 1995, S. 85-141, hier: S. 125.
[2] Zit. nach ebd. S. 127.

Literatur :

Grau, Günter: Sozialistische Moral und Homosexualität. Die Politik der SED und das Homosexuellenstrafrecht 1945 bis 1989 – ein Rückblick, in: Grumbach, Detlef (Hg.): Die Linke und das Laster. Schwule Emanzipation und linke Vorurteile, Hamburg 1995, S. 85-141.

Meyer, Sabine: Wege jenseits der Öffentlichkeit. Zur Geschichte transgeschlechtlichen Lebens in der SBZ und der DDR zwischen 1945 und 1976, in: Landesstelle für Gleichbehandlung − gegen Diskriminierung (Hg.): Auf nach Casablanca? Lebensrealitäten transgeschlechtlicher Menschen zwischen 1945 und 1980, S. 75-83.

Nellißen, Kay; Schmidt, Kristine: Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin, in: Sonntags-Club (Hg.): Verzaubert in Nord-Ost. Die Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee, Berlin 2009, S. 178-185.

Charlotte von Mahlsdorf, die am 18. März 1923 als Lothar Berfelde geboren wurde und sich selbst als ‚Transvestit‘ bezeichnete, war eine Kernfigur der queeren Szene in Ostberlin. Als leidenschaftliche Sammlerin antiker Möbel und Einrichtungsgegenstände der Gründerzeit zog sie um 1960 in ein ehemaliges und heruntergekommenes Gutshaus im Ostberliner Mahlsdorf ein und eröffnete dort ihr Gründerzeitmuseum, in dem Sie ihre damals bereits umfangreiche Sammlung ausstellen konnte. In ihrer Autobiografie schreibt Charlotte, auch ‚Lottchen‘ genannt, zu ihrem Leben in Mahlsdorf: „Ich bin Museumsführer, Bewohner und Putzfrau in einem, und ich habe mich eingerichtet, wie eine Frau der bürgerlichen Mittelschicht sich um 1900 einrichtete.“[1] Nach mühevollen Restaurierungsarbeiten im neoklassizistischen Stil erhielt das Museum 1972 den Denkmalstatus.

Knappe 10 Jahre zuvor, 1963, erwarb sie, als diese abgerissen werden sollte, das Interieur der bekannten Ostberliner Bar Mulackritze, die seit den 1920ern eine Anlaufstelle für queere Menschen war und in der bereits der bekannte Sexualforscher Magnus Hirschfeld verkehrte. In den Kellerräumen des Museums wurde die Einrichtung der Kneipe ab Mitte der 70er zur Kulisse regelmäßiger Treffen und Feiern der Homosexuellen Interessengemeinschaft Berlin (HIB), die Charlotte von Mahlsdorf bei einer Veranstaltung 1974 kennenlernte. Als Schutzraum dieser Art hatte das Museum allerdings nur kurze Zeit Bestand. Im April 1978 lud Ursula Sillge, damals Mitglied in der HIB, zum republikweiten ‚Lesbentreffen‘ nach Mahlsdorf. Trotz vorheriger Absprache mit den Behörden, die eine Erlaubnis erteilten, kam es am Tag der Veranstaltung zu einer überraschenden Auflösung durch die Volkspolizei, in Folge derer es sogar zu Verhören kam. Fortan wurde es Charlotte von Mahlsdorf verboten, jegliche Versammlungen in ihrem Museum abzuhalten, und die Strukturen der HIB mussten sich erneut in den privaten Raum zurückziehen. Charlotte wahrte weiterhin einen regen Kontakt in die Szene und pflegte unter anderem eine Freundschaft zu Nadja Schallenberg, die sie Ende der 80er mit dem Sonntags-Club bekannt machte (siehe IG Trans).

Charlotte von Mahlsdorf verstarb am 30. April 2002. Mit kurzer Unterbrechung von 1995 bis 1997 ist das Museum bis heute unter Leitung des Fördervereins geöffnet.

[1] von Mahlsdorf, Charlotte: Ich bin meine eigene Frau. Ein Leben, 4. Auflage, St. Gallen; Berlin 1992, S. 109.

Literatur:

Mahlsdorf, Charlotte: Ich bin meine eigene Frau. Ein Leben, 4. Auflage, St. Gallen; Berlin 1992.

Meyer, Sabine: Wege jenseits der Öffentlichkeit. Zur Geschichte transgeschlechtlichen Lebens in der SBZ und der DDR zwischen 1945 und 1976, in: Landesstelle für Gleichbehandlung − gegen Diskriminierung (Hg.): Auf nach Casablanca? Lebensrealitäten transgeschlechtlicher Menschen zwischen 1945 und 1980, S. 75-83.

Schunk, Gisela: Charlotte von Mahlsdorf, in: Sonntags-Club (Hg.): Verzaubert in Nord-Ost. Die Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee, Berlin 2009, S. 185-192.

Die ersten Triebe des Sonntags-Clubs (SC), der diesen Namen allerdings erst seit 1987 trägt, bildeten sich 1986 als allsonntägliches Treffen im Mittzwanziger-Klub in der Veteranenstraße. In gewisser Weise ist er als Nachfolger der Homosexuellen Interessengemeinschaft Berlin (HIB) zu verstehen, die 1980 ihr Ende fand. Ursula Sillge, Peter Rausch und Michael Unger waren unter den Personen, die sowohl in der HIB als auch im SC aktiv waren.

Nach einer Ablehnung von Seiten des Kreiskulturhhauses (KKH) im Prenzlauer Berg fand der SC Ende der 80er im KKH in Mitte ein erstes offizielles Zuhause. Selbsterklärtes Ziel des Clubs war es, eine Anlauf- und Vermittlungsstelle für homosexuelle Menschen anzubieten. Sie veröffentlichten Partner:innenschaftsanzeigen und pflegten regen Briefverkehr, durch den sie möglichst viele Personen über ihre Veranstaltungen und Angebote informierten. Als vermutlich einzige queere Gruppe der damaligen Zeit hatte der SC einen geschlechterparitätisch besetzten Vorstand. Zusammengesetzt war der damals noch inoffizielle Verein aus verschiedenen Interessengruppen und Gesprächskreisen. Gruppen mit einem Interesse für Motoristik oder Wandern fanden dort ebenso Platz wie Gesprächskreise zu homosexueller Elternschaft, Aids oder Bisexualität.

Der Annahme von Seiten kirchlicher Gruppen, der SC sei ein staatsnaher Verein, lässt sich nur bedingt widersprechen. Zwar geht aus dem Archivmaterial eine Zusammenarbeit mit Strukturen wie der FDJ hervor, gleichzeitig war das staatliche Misstrauen gegenüber der Gruppe doch groß genug, um Ursula Sillge unter Beobachtung zu stellen. Eine offene oder auch nur subtile Systemkritik lässt sich den öffentlichen Broschüren und Flyern jedenfalls nicht entnehmen. Im Gegenteil stellt sich der SC hier durchaus als systemaffirmativ dar. So heißt es in einem Flyer von 1988: „Nur homosexuelle Bürger, die in der Lage sind, souverän mit ihrer Homosexualität umzugehen, können sich in der Gesellschaft wirklich wohlfühlen und sich zu sozialistischen Persönlichkeiten entwickeln.“[1] Und weiter unten: „Nur wenn heterosexuelle Bürger in der Lage sind, homosexuelle Frauen und Männer wirklich als gleichberechtigte Bürger zu akzeptieren, lassen sich die humanistischen Prinzipien der marxistisch-leninistischen Weltanschauung und der Verfassung der DDR realisieren.“[2] Hier wird deutlich, dass es sich bei der Übernahme hegemonialer Narrative des Realsozialismus durchaus auch um ein strategisches Manöver handeln konnte, das angesichts des Ausbleibens staatlicher Zugeständnisse eigener Räume und Strukturen sowie der systematischen Unterdrückung emanzipatorischer Impulse nötig war, um sich in einer heteronormativen und homophoben Gesellschaft Raum zu verschaffen.
 Inwieweit bezüglich der eigenen politischen Positionierung aber auch interne Spannungen und Differenzen brodelten, wurde durch einen Konflikt in den späten 80er Jahren deutlich, der in dem Austritt einiger Mitglieder und deren Gründung der Gruppe Courage am 05.02.1989 gipfelte. Diese sollte in den kommenden Jahren eine ausgeprägtere Zusammenarbeit mit staatlichen Strukturen verfolgen. (siehe Courage)

Seit 1990 ist der SC ein eingetragener Verein. Im Zuge dessen erhielt er erstmals seine eigenen Räumlichkeiten in der Rhinower Straße 8 im Prenzlauer Berg. Anfang der 90er Jahre, vermutlich seit September 1991, gründete sich auf die Initiative Nadja Schallenbergs, die 1989 noch die Interessengemeinschaft für Transvestiten und Transsexuelle (IG Trans) gegründet hatte, der erste Treff für trans Menschen im SC. Damit bildete sich nach der Wende der erste Ort in Ostberlin, der einen eigenen Raum für Transidentitäten öffnete. Um die Jahrtausendwende zog der SC erneut um, dieses Mal in die Greifenhagener Straße 28 im Prenzlauer Berg, wo er sich bis heute befindet.
 Als Ehrenmitglieder sind heute unter anderem Charlotte von Mahlsdorf, die den Club regelmäßig besuchte, Ursula Sillge, Christiane Seefeld, Michael Unger und die HIB-Begründer Peter Rausch und Michael Eggert gelistet.

[1] Schwules Museum, Berlin: Archivbestand Sonntags-Club Nr. 3.
[2] Ebd

Literatur:

Dobler, Jens: Staat im Aufbruch. Der Sonntags-Club, in: Marbach, Reiner; Weiß, Volker (Hg.): Konformitäten und Konfrontationen. Homosexuelle in der DDR, Hamburg 2017, S. 102-108.

Dobler, Jens; Nellißen, Kay; Schmidt, Kristine: Sonntags im Club, in: Sonntags-Club (Hg.): Verzaubert in Nord-Ost. Die Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee, Berlin 2009, S. 238-247.

In einem Brief vom Januar 1889 erklärte Colin Sherman, bis dahin noch Mitglied im Sonntags-Club (SC), er würde seine Beziehung zu diesem kappen, und lud zu einem privaten Treffen für Gleichgesinnte. Bereits im Folgemonat, am 05. Februar 1889, kam es zur offiziellen Gründung der Gruppe Courage. Von Seiten der Gruppe, so heißt es in den Stellungnahmen, war diese Neugründung notwendig, da der SC unter Leitung von Ursula Sillge zunehmend undemokratisch geworden war. Sillge schildert eine andere Perspektive. Vielmehr habe es sich um eine gezielte Offensive der FDJ gehandelt, die versuchte, den SC intern zu unterlaufen und nach ihren Vorstellungen umzustrukturieren.[1] Auch die Frage der Zusammenarbeit mit kirchlichen Gruppen, die vom SC erwogen wurde, schien einen Konfliktpunkt darzustellen.  

In jedem Fall aber fuhr die Gruppe einen anderen politischen Kurs als der SC, indem sie aktiver die Zusammenarbeit mit staatlichen Strukturen suchte, was die Staatssicherheit im Übrigen nicht von ihrer Bespitzelung abhielt. Neben der Zusammenarbeit mit der FDJ wurde die Gruppe auch Teil des Verbandes der Freidenker (VdF), der von der SED kurz vor der Wende ins Leben gerufen worden war. Die Gruppe veranstaltete wöchentliche Treffen; ab Dezember lud sie dafür ins ‚Cafe C‘ in die Wilhelm-Pieck-Straße 153 (heute Torstraße), organisierte Lesungen, unter anderem mit Ronald M. Schernikau, und weitere Kulturveranstaltungen. Zu finden war die Gruppe außerdem bei ihrem allsonntäglichen ‚Treff 203‘ in der Wilhelm-Pieck-Straße 203 oder in ihrem Büro in der Knaackstraße 7.
1990 veröffentlichte Courage eine ausführliche Aufklärungsbroschüre zum Thema Homosexualität und gründete die Zeitschrift ‚Courage‘. Trotz des konfliktreichen Auseinandergehens mit dem SC schienen noch nicht alle Brücken abgebrochen zu sein. So heißt es in einem Programmplan für den 15.05.89: „Zu Gast bei Courage: Sonntagsclub stellt sich vor“[2] und auch auf einem Informationsflyer mit einem Überblick homosexueller Gruppen wird der SC gelistet.[3] Kirchliche Gruppen bleiben hier selbstredend unerwähnt.

Anders als im SC setzte sich hier keine geschlechterparitätische Besetzung der Führungspositionen durch. Stattdessen wurde auf die Benennung einer Frauenbeauftragten gesetzt, was Sillge der Gruppe später zum Vorwurf machte.[4] In einer Mitteilung vom 22.06.89 bezüglich der Teilnahme am Pfingsttreffen der FDJ werden Fred Beuchel als Leiter und Colin Sherman als stellvertretender Leiter gelistet.
Das Ende der Gruppe lässt sich nur schwer herausfinden. Es ist wohl davon auszugehen, dass die Gruppe die Wende nicht oder zumindest nicht sehr lange überdauerte.

[1] Vgl. Sillge, Ursula: Damals war‘s! Zu Bedingungen, Strukturen und Definitionen der lesbisch-schwulen Bewegung in der DDR, in: LSVD Landesverband Sachsen-Anhalt (Hg.): Lesben und Schwule in der DDR: Tagungsdokumentation, Marburg 1999, S. 109-116, hier: S. 114.
[2] Schwules Museum, Berlin: Archivbestand Courage Nr. 2
[3] Vgl. ebd.
[4] Vgl. Sillge 1999, S. 114.

Literatur:

Dobler, Jens; Nellißen, Kay; Schmidt, Kristine: Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin, in: Sonntags-Club (Hg.): Verzaubert in Nord-Ost. Die Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee, Berlin 2009, S. 178-185.

Als Mitglied der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) positioniere sich Nadja Schallenberg in den Wendejahren gegen eine Integration in den westlichen Kapitalismus und gegen die Übernahme des westdeutschen ‚Transsexuellengesetzes‘ (TSG), das sie als nachteilig gegenüber der ostdeutschen Regelung empfand. Sie selbst befand sich zur Zeit der Wende im bürokratischen Prozess des Antrages auf Personenstandsänderung, der mit der rechtlichen Wiedervereinigung nichtig gemacht wurde.

Ihre Erfahrung als ‚Trans-Lesbe‘, als die sie sich selbst bezeichnet, veranlasste sie im Mai 1989 dazu, die Interessengemeinschaft für Transvestiten und Transsexuelle (IG Trans) zu gründen, die erste Interessengemeinschaft für trans Personen in der DDR. Als Anlaufstelle wollte Schallenberg mit der IG Trans ihr Wissen weitergeben, insbesondere auch was den bürokratischen und medizinischen Hürdenlauf anging, dem sich trans Personen im Falle einer Personenstandsänderung und der daran geknüpften Transition (siehe Text zum juristischen Kontext) stellen mussten. Die ersten eigenen Räumlichkeiten wurden Nadja Schallenberg allerdings erst nach der unmittelbaren Wendezeit zur Verfügung gestellt. Über Charlotte von Mahlsdorf lernte sie den Sonntags-Club (SC) kennen, in dem sie ab 1991 eine Anlaufstelle mit regelmäßigen Treffen organisieren konnte.

Hilfsstrukturen und eigene Räume für trans Personen konnten sich also erst in der Wendezeit und vermehrt in der Nachwendezeit formieren. Nadja Schallenberg betont aber immer wieder, dass es in der DDR auch zuvor schon eine ausgeprägtere Zusammenarbeit und ein natürlicheres Miteinander zwischen homo- und bisexuellen und trans Meschen gegeben habe als im Westen.

Literatur :

Fritz, Vera: Trans* im Sonntags-Club, in: Sonntags-Club (Hg.): Verzaubert in Nord-Ost. Die Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee, Berlin 2009, S. 281-282.

Nadja Schallenberg – Ein transsexueller Lebenslauf, in: Sonntags-Club (Hg.): Verzaubert in Nord-Ost. Die Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee, Berlin 2009, S. 284.

Andere Quellen

Zeitzeug*innen-Interview mit Nadja Schallenberg im Rahmen des Projektes Zeitzeuginnengespräche – 1989/90 aus lesbisch/feministischer Perspektive. Online im FFBIZ-Archiv: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/meta-objekt/zeitzeuginnen-interview-mit-nadja-schallenberg-im-rahmen-des-projektes-zeitzeuginnengespraeche—198990-aus-lesbischfeministischer-perspektive/36553ffbiz

Cafés, Kneipen und Diskotheken waren Orte, an denen sich queere Menschen in der DDR inoffiziell eigene Räume schaffen konnten. In erster Linie ging es dabei nicht um politischen Aktivismus oder gar Opposition. Stattdessen waren es Orte des Zusammenkommens und der Begegnungen, der romantischen, sexuellen und freundschaftlichen. Es waren soziale Räume. Viele davon wurden nicht als queere Lokale gegründet. Stattdessen mussten sich queere Menschen, da viele der alten Cafés, Bars und Diskotheken geschlossen wurden, neue Orte suchen. So wurden viele der gelisteten Orte nach und nach zu queeren Orten ‚gemacht‘, indem man sich gezielt in diesen traf und aufhielt.
 Viele der Etablissements befanden sich zu dieser Zeit im Prenzlauer Berg im sogenannten ‚Bermudadreieck‘, einer Gegend mit vielen Cafés, Kneipen und Diskotheken, in denen sich queere Menschen trafen. Die inoffizielle Gestaltung dieser Räume zieht aber auch nach sich, dass eine Rekonstruktion solcher Strukturen nur schwer durchzuführen ist. Die Liste stellt also in keiner Weise einen Anspruch auf Vollständigkeit.

Peking / Café Schönhauser

Angesiedelt in der Kastanienallee 2 war das Peking seit den 60er Jahren ein Ort für die Ostberliner Kunstszene. Nach zeitweiliger Schließung und Wiedereröffnung als Café Schönhauser war es wichtiger Bestandteil der queeren, vor allem der schwulen Szene in Ostberlin. Das Café ist seit 1999 geschlossen.

Burgfrieden

Die Kneipe war in der Wichertstraße 69 im Prenzlauer Berg zu finden. Hier wurde der erfolgreiche Film Coming Out (1989) gedreht, unter Regie von Heiner Carow. Die Premiere des Filmes im Burgfrieden wurde durch Unruhen gestört. Die Vorführung fiel auf den 9. November 1989.
 In einem taz-Artikel zu Nadja Schallenberg von 1990 wird die Kneipe neben der Busche außerdem als Treffpunkt für trans Personen bezeichnet.[1] In der Zwischenzeit musste der Burgfrieden jedoch seine Pforten schließen.

Schoppenstube

1963 eröffnete die Schoppenstube in der Schönhauser Allee 44. Als Nachtbar war sie vor allem in den späten Stunden gut besucht. Ursprünglich keine dezidiert queere Bar, kam es zu einer zunehmenden „‘warme[n]‘ Übernahme“[2]. Bis in die Morgenstunden blieb die Bar geöffnet und stellte somit oft die letzte Station einer langen Nacht dar. Seit 2013 ist die Schoppenstube Vergangenheit.

Café Senefelder Platz

Oft von Mitgliedern der Homosexuellen Interessengemeinschaft Berlin (HIB) besucht, zeichnete sich das Café Senefelder Platz dadurch aus, dass hier erstmals vermehrt auch Lesben ihren Platz fanden. Im Jahr 2000 musste das Café schließen.

Busche

Auch in der Buschallee 87 in Weißensee hatten sich queere Menschen einen Raum geschaffen. Als einzige Diskothek dieser Art hatte die Busche neben vielen Männern auch einen großen Frauenanteil zum Publikum. An der Bar konnte man sich von Christiane Seefeld versorgen lassen.
 Bis 1991 konnte hier in der Buschallee gefeiert werden.

[1] Habersetzer, Martina: „So bin ich und so will ich sein“, in: taz, die tageszeitung, Ausgabe 3116 vom 26.05.1990, S. 44. Online: https://taz.de/So-bin-ich-und-so-will-ich-sein/!1766755/
[2] Dobler, Jens: „Den Heten die Kneipe wegnehmen“, in: Sonntags-Club (Hg.): Verzaubert in Nord-Ost. Die Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee, Berlin 2009, S. 167-173, hier: S. 169.

Literatur :

Dobler, Jens: „Den Heten die Kneipe wegnehmen“, in: Sonntags-Club (Hg.): Verzaubert in Nord-Ost. Die Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee, Berlin 2009, S. 167-173.

Unger, Michael: Es heißt PEKING und basta!, in: Sonntags-Club (Hg.): Verzaubert in Nord-Ost. Die Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee, Berlin 2009, S. 174-176.